Der Rönsahler "Knast"
Mühlenecho > Verborgen im Untergrund
Haus Kraatz1
Haus der Familie Kraatz
Eingang Knast
Hier war der Eingang zum "Knast"
Knast
Nur das Gitter ist noch vorhanden
Am
Ortsende von Rönsahl in Richtung Kierspe steht das Haus der
Familie Kraatz.
Es
ist ein ganz gewöhnlich erscheinendes Wohnhaus, erbaut in
den 1920er Jahren. Aber der Keller des Hauses birgt was ganz
Besonderes: ein vergittertes Fenster zeugt noch davon, denn hier
im Keller war einmal Rönsahls „Knast“.
Erkunden
wir doch einmal die Geschichte dieses Hauses. Im Jahre 1953
wurde es von Otto Kraatz gekauft, dem aus Stettin stammenden
Vater der Geschwister Vera Schütz V,
Wolfgang, Günter und noch 3 weiteren Söhnen. Durch einen tragischen
Unfall verstarb Vater Otto früh. Sein Sohn Günter bewohnt heute das
Haus zusammen mit seiner Frau Ingrid und deren Sohn Armin
mit Schwiegertochter Jutta.
Bevor
das Haus Eigentum von Otto Kraatz und dessen Ehefrau Antonie wurde,
gehörte es der damals noch selbständigen Gemeinde Rönsahl und war
Wohnhaus und gleichzeitig Polizeistation des Dorfpolizisten
Heinrich Körbi. (Dessen Tochter war die in Rönsahl wohlbekannte
Herta Tomczak). Als die Polizeistation aufgelöst war, wollte die
Gemeinde das Haus verkaufen und hatte dann mit Otto Kraatz einen
Käufer gefunden. Der Verkaufserlös wurde damals dringend benötigt
um damit den Neubau der Schule (das Gebäude, in dem bis vor
kurzem die Märkischen Werkstätten untergebracht waren) zu
finanzieren.
Gehen
wir wieder zurück in die Zeit, als Dorfpolizist Körbi
pflichtbewußt für Ordnung sorgte. Da in unserem beschaulichen
Dorf auch mal durchgegriffen werden musste, hatte der diensthabende
Polizei-beamte die Möglichkeit, Störenfriede in die
Arrestzelle zu stecken. Diese Arrestzelle befand sich im Keller
des Hauses. Sie wurde genutzt, um z. B. Trunkenbolde
auszunüchtern oder Landstreicher vorübergehend einzusperren
Diese mussten dann, auch wenn sie nur für wenige Stunden oder über
Nacht inhaftiert waren, verpflegt werden, welches die Frau des
Polizisten übernahm. Dazu wird erzählt, dass Frau Körbi ein großes
Herz hatte und aus Mitleid schonmal vergaß, die Türe wieder
abzuschließen, wenn sie dem Gefangenen Essen gebracht
hatte. So gab es mal einen ehemaligen russischen Kriegsgefangen, der
sich in und um Rönsahl herumtrieb. 17 Brote soll er bei Ackermanns
(eine der Bäckereien im Dorf) geklaut haben, dazu noch Eingemachtes,
Eier und mehr. Versteckt hatte er das alles in einem sebstgegrabenen
Loch in einer Scheune am Wernscheid, die dem Bauern Lenz gehörte.
Entdeckt wurde er und sein Versteck, als die Bäuerin, die Mutter von
Fritz Lenz, mit einer Mistgabel in der Scheune Heu auf einen Wagen
lud und den unter dem Heu steckenden Russen mit der Gabel anstach.
Kurzerhand wurde der Russe festgenommen und in die Arrestzelle
gesteckt. Sein Schicksal erregte Frau Körbis Herz, die, nachdem sie
ihm Abends zu Essen gebrachte hatte, dann aber „vergaß“,
die Türe abzuschließen. Am nächsten Morgen war er ausgebüxt. Sein
Glück war aber nur von kurzfristiger Dauer, denn wenige Wochen
später fand man ihn erfroren im Wernscheid.
Die
Arrestzelle im Keller des Hauses dient heute der Familie Kraatz
als Heizungskeller. An seine Vergangenheit als Gefängnis
erinnert noch das vergitterte Fenster.
Herzlichen
Dank an Ingrid und Günter Kraatz sowie Fritz Lenz für die
Informationen
Regina
Marcus, im Juli 2014