Schliepers Kuhle im Ohl
Mühlenecho > Verborgen im Untergrund
Wenn
man in Ohl-Oberklüppelberg von der Dohrgauler Straße über die
Rosenstraße den nach rechts abgehenden Wanderweg auf die Anhöhe
mit dem Namen Kreuzweg hinaufgeht, kommt man an einem
rechterhand liegenden tiefen Loch vorbei.
Dieses
Loch ist ein alter Steinbruch mit dafür typischen Merkmalen: Der
weitgehend waagerechte Zugang befindet sich talseits, worüber
das abgebaute Steinmaterial bequem abgefahren werden konnte.
Über dem etwa 40 Meter tief in den Hang getriebene Abbau erhebt
sich am hinteren Ende ein ca. 10 m hoher Abhang.
Auf
der westlichen Seite ist eine offene Felswand . Die anderen
Seiten sind im Laufe der Zeit mit Grün-schnitt, Gartenabfällen und
leider auch etwas Unrat zugeschüttet worden. Ein großer Baum ist
vor einiger Zeit vom Rand hineingestürzt und liegt nun quer in der
Kuhle. Die offene Felswand aber verrät uns, wonach
die Steinbrucharbeiter gesucht und was sie dort auch gefunden
haben: Kalkstein. Große Steinbänke aus Grauwacke
sind hier durchsetzt mit Kalksteinschichten und -nestern. Machen
wir zum Verständniss dieser geologischen Besonderheit einen
Ausflug in die Zeit vor 350 bis 390 Millionen Jahren. Damals befand
sich unsere Heimat auf dem Grund eines flachen Meeres. Ein Flussdelta
spülte große Mengen Sedimente, also Kiese und Sande vom nahen,
nördlich gelegenen Festland ins Meer hinein, wo sie sich auf
dem Meeresboden absetzten.
So
entstanden kilometerhohe Schichten, die sich zusammenpressten
und verfestigten. Aber in diesem nahe dem Äquator liegenden
tropisch-warmen Meer konnte sich eine Fülle von Meerestieren
entwickeln: Krebs- und muschelähnliche Tiere, Algen, Schnecken,
erste Fische und im flachen Küstensaum auch Korallen. Viele
dieser Meerestiere haben ein Skelett, eine Schale oder bei den
Korallen das Gerüst, auf dem sie leben , aus Kalk. Durch das
Einspülen der Sedimente wurden diese Tiere nach deren Absterben von
Sandschichten abgedeckt und verfestigt.
Im
Laufe der Erdgeschichte mit der varistischen Gebirgsbildung wurden
die versteinerten Meeresbodenschichten angehoben und schließlich
zu einem Gebirge aufgefaltet, welches in den darauffolgenden
Jahrmillionen weitgehend durch Erosion wieder abgetragen
wurde. Dieses Rumpfgebirge bildet nun unseren Untergrund im
Bergischen Land und im Sauerland und wird Rheinisch-Westfälisches
Schiefergebirge genannt.
Dass
es sich um ehemaligen Meeresboden handelt, zeigen uns die
zahlreichen Fossilien, also die versteinerten Reste von
Meereslebewesen, die immer wieder in unseren Grauwackeböden zum
Vorschein kommen. Besonders zahlreich sind Versteinerungen
von Seelilien, einer Röhrenwurmart, deren Nachfahren immer noch in
tropischen Meeren leben. Die versteinerten Röhrenglieder der
Urmeertiere findet man häufig auf Plastersteinen und Gehwegplatten,
auf Natursteintreppenstufen und Bruchsteinen. Da wo ganze
Korallenriffe oder andere sehr kalkhaltige Ablagerungen
versteinerten, bildeten sich in der Grauwacke große
Kalksteinnester- oder Bänke. So bestehen ganze Berge in unserer
Mittelgebirgslandschaft aus sehr kalkhaltigem Gestein. Das
Besondere an diesen „Kalkbergen“ ist, dass sich darin häufig
Höhlen befinden. Diese entstanden durch Auswaschung des
wasserlöslichen Kalkes durch einsickerndes Wasser oder Grundwasser
(= Karst). Wir kennen die großen Schauhöhlen wie die Kluterthöhle,
die Balver Höhle und die Höhlen im Hönnetal. Noch bekannter sich
die berühmten Tropfsteinhöhlen wie die Wiehler Höhle und die
Atta-Höhle mit ihren wunderschönen Tropfsteingebilden. Weniger
bekannt, aber auf ebensolche Weise entstanden sind die kleineren
natürlichen Höhlen in unserer näheren Umgebung: das Zwergenloch
bei Frielingsdorf-Scheel zum Beispiel, oder die Höhle unterhalb
Marienheide-Dürhölzen gelegen, die erst kürzlich eine nicht sehr
rühmliche Bekanntheit erlangte, als sich darin ein unvorsichtiger
Familienvater eingeklemmt hatte und von der Bergrettung
herausgeholt werden musste, nachdem die ihn begleiteten Kinder und
Jugendlichen Hilfe geholt hatten.
Nicht
nur den Namen gemeinsam haben die zahlreichen Höhlen, die Hülloch
genannt werden. Wir kennen das Hülloch in Halver, das in
Marienheide und in Kierspe. Das besondere an diesen Höhlen
ist, dass sie erst durch einen Steinbruch, in diesen Fällen
waren es eben Kalksteinbrüche, entdeckt und erschlossen
wurden. Und genau diese Besonderheit haben wir auch in der
Schliepers Kuhle, denn auch dort befand sich der Eingang einer
Höhle. Leider ist dieser verschüttet und die Höhle nicht mehr
zugänglich. Das ist sehr schade, denn diese Höhle muss sehr groß
gewesen sein. Sie war so groß, dass man mit Pferdewagen
hineinfahren konnte und im zweiten Weltkrieg die Ohler bei
Luftangriffen hier Schutz fanden. Über 100 Personen sollen
hineingepasst haben. Es mag nicht sehr gemütlich darin gewesen
sein, denn es war feucht, kalt und dunkel. Aber die Angst vor
Bomben-angriffen ließ diese Unannehm-lichkeiten ertragen.
Die Schüler der Volksschule in Oberklüppelberg hatten in
den Kriegsjahren sogar Unterricht in der Höhle. So gab es im
Jahre 1945 eine Baracke auf dem Gelände vor dem
Steinbruch, in der der Unterricht gehalten wurde und Schüler
und Lehrer bei Gefahr schnell in der Höhle Zuflucht suchen konnten.
Nach Erzählungen waren für die Beleuchtung der Höhle
Stromleitungen hineingelegt worden, was aber bei der ständigen Nässe
nicht unproblematisch war und es sogar zu Unfällen mit
Stromschlägen gekommen ist. Otto Minnich, ehemaliger Lehrer an
der Volksschule in Oberklüppelberg und Heimatkundler
berichtet, dass Wehrmachtsangehörige die Höhle als Versteck
für kriegswichtige Dinge oder Wertsachen hergerichtet haben oder
wollten. Ob es dazu gekommen ist, ist ungewiss.
Erste
schriftliche Nachrichten über einen „groß ausgehöhlten“
Kalksteinbruch in Oberklüppelberg findet sich in einem Eintrag
im Sterberegister. Demnach hat sich am 10.05.1838 ein todbringendes
Unglück ereignete, bei dem der Oberklüppelberger Bauer,
Gutsbesitzer und Schulvorsteher Gerhard Wilhelm Heukelbach von einem
großen und „etliche 1000 Pfund schweren“ herabfallenden Stein
erschlagen wurde.
Von
der Entdeckung der Höhle berichtete ein Zeitungsbericht in der
Gummersbacher Volkszeitung vom August 1925. Darin heißt es:
„Ohl=Rönsahl.
Man schreibt uns: Nach einer Wipperfürther Chronik und nach
Überlieferungen und Erzählungen alter Leute, sollte sich bei
Ober-Klüppelberg, in dem der Witwe Schlieper gehörenden Berg
oberhalb Ober-Klüppelberg eine Tropfsteinhöhle befinden. Seit
einigen Wochen waren nun die Gebrüder Schlieper damit beschäftigt,
den Eingang in die Höhle zu finden. Sie haben keine Mühe und Arbeit
gescheut, sich um Spott und faule Witze kluger und besserwissender
Leute wenig gekümmert und ihr Schaufeln und Hacken ist nicht
ohne Erfolg geblieben. Am vergangenen Sonntag abend wurde der Eingang
zu der Höhle gefunden und bloßgelegt. Zwei Unentwegte zwängten
sich sofort durch den freigelegten Felsspalt und machten sich
auf die Entdeckungsreise. Wie ein Lauffeuer ging noch am selben Abend
die Kunde von der Entdeckung durch Klüppelberg, Ohl und
Umgegend und bald gingen die tollsten Vermutungen und Gerüchte
um. Da wurde schon erzählt, die Höhle sei 200 Meter lang, 50 Meter
breit und 10 Meter hoch und es seien wunderbare Tropfsteingebilde
vorhanden. Alte Erzählungen wurden aufgefrischt, wonach ein
unterirdischer Gang in Hollmünde ende, daher auch
der
Name des Gehöfts Hollmünde. d. h. Höhlen-Mündung. Kurz und gut,
das sonst so stille und einsame Ohl wurde in nicht geringe Aufregung
versetzt. Später stellten sich dann doch die Übertreibungen heraus,
aber – eine Höhle ist da und wer einmal den Einstieg wagt,
wird überrascht den großen Raum bewundern, welcher etwa 25
Meter lang, 8 Meter breit ist, oben spitz zusammenläuft und etwa 3
bis 4 Meter hoch ist. In der Decke und in den Wänden hat die Natur
Löcher und Einbuchtungen von größeren und kleinen Ausmaßen und
eigenartigen Formen geschaffen. Vom Höhleneingang bis zum hinteren
Ende geht es abwärts. Im hinteren Ende sind Spalten, Löcher
und niedrige Gänge, die aber wegen des darinstehenden Wassers ein
weiteres Vordringen nicht erlauben. Die Luft im Raum ist frisch und
kühl. Gespenstisch leuchten die Karbid- und Taschenlampen der
Besucher, die jeden Spalt beleuchten um vielleicht einen neuen
Gang zu entdecken. An der rechten Seite ist man damit beschäftigt,
einen dicken Felsblock, der in einem Gang den Weg versperrt, zu
beseitigen. Man hofft, wenn das Hindernis beseitigt ist, weiter
vordringen zu können, um zu den Tropfsteingebilden zu gelangen.
Nach alten Überlieferungen soll man nämlich zuerst in einen
großen Raum kommen, in dem sich Pferd und Wagen umdehen können, und
wenn man dann durch einen schmalen Gang weiterkrieche, käme man zu
wunderbaren Tropfsteingebilden. Inwieweit dies auf Wahrheit
beruht, bleibt noch abzuwarten. Die Vorbedingungen für
Tropfsteingebilde, Kalkfelsen und sickerndes Wasser sind da, und
deshalb ist es nicht ausgeschlossen, daß man noch Gebilde
vorfindet, so daß man gespannt auf weitere Entdeckungen warten
darf. Die Entdeckung hat natürlich viele Neugierige
herbeigelockt, die aber meist wieder umkehren, da der Einstieg noch
mit Schwierigkeiten verbunden ist. Man muss sich nämlich durch einen
engen Felsspalt zwängen und einige Meter auf Händen und Füßen
kriechen. Der Eingang soll jedoch erweitert werden, auch wenn keine
Tropfsteingebilde vorgefunden werden.“
Zu
diesem alten Zeitungbericht wurde noch ergänzt, dass in den dem
Tag der Entdeckung folgenden Wochen weiter gegraben wurde, man aber
nicht weiter vordringen konnte und das Interesse an der Höhle
langsam wieder einschlafen würde. Man hoffte jedoch, dass der
Eingang noch so erweitert würde, daß die Höhle für jedermann
zugänglich werde.
In
dem sieben Jahre später im Bergischen Kalender erschienen
Bericht von Otto Kuckart „Durch den Klüppelberger Wald“,
wird von der Höhle berichtet, zu der der Einstieg nur durch einen
schmalen Felsspalt möglich ist. Demnach hatte sich der Wunsch,
den Höhleneingang zu erweitern, bis dahin nicht erfüllt.
Möglicherweise hat es dann noch einige Jahre gedauert, bis man
den Höhleneingang erweiterte, um die Höhle in den Kriegsjahren
des Zweiten Weltkrieges als Schutzraum nutzen zu können.
Aus
Sicherheitsgründen wurde der Höhleneingang nach dem Krieg
zugeschüttet und unzugänglich gemacht. Anfang der 1960er Jahre
war von dem Eingang nichts mehr zu sehen. Erzählungen nach soll es
noch einen zweiten Eingang gegeben haben,
auch
von einem Einflugloch für Fledermäuse war die Rede.
Bemerkenswert
ist noch, dass der kalkhaltige Untergrund für die Bauherren, die im
Bereich der Dohrgauler Staße unterhalb des Steinbruchs ihr
Haus bauen wollten, nicht unproblematisch war. So mussten Sie bei
Antragstellung ein Gutachten vorweisen, aus dem hervorging, dass der
Baugrund fest war und sich darunter kein Hohlraum befand. Dieser
Umstand lässt darauf schließen, dass im Umfeld des Kalksteinbruchs
der Untergrund möglicherweise weitläufig verkarstet, also das
Gestein verwittert und ausgewaschen ist.
In
dieser Hinsicht wirken die Gerüchte nicht mehr ganz abwegig,
die behaupten, die Höhle in Schliepers Kuhle führe bis nach
Kupferberg, nach Dohrgaul, bis zum Zigeunerwald bei Krommenohl
oder wie bereits erwähnt, bis nach Hollmünde .
Regina
Marcus, im April 2014
Quellen: Bergischer
Kalender von 1932,
Informationen
von: Ralf
Wöhle, Ohl, Otto
Minnich, Ohl, Willi
Klein, Gogarten, Ingrid
Ohler, Ohl, Ellen
Schriever, Kierspe
Karte
Lagekarte
Kuhle
Schliepers Kuhle
Kuhle
Felsen in der Kuhle
Kalkstein
Kalkstein
Versteinerte Seelilienglieder
Seelilien