Geheimnisvolle unterirdische Gänge - Mittendrin in Rönsahl

website security
Direkt zum Seiteninhalt

Geheimnisvolle unterirdische Gänge

Mühlenecho > Verborgen im Untergrund
Karte Isern
Alte Karte mit "Foswinkels Haus"
vor dem Isern
Gang in die Kirche
Der zugemauerte Gang in die Kirche
Brunnen vor dem Isern
Brunnen vor dem Isern
Verborgen im Untergrund
Geheimnisvolle
unterirdische Gänge

Was ist dran an den Erzählungen über die „Unterwelt“ der Servatiuskirche, über die unterirdischen Gänge, die so­gar von mehreren Häusern in die Kir­che führen sollten? Sind es nur Ge­rüchte oder sogar fantasievolle Hirn­gespinste? Oder doch für die Sicher­heit notwendige Fluchtgänge, um in gefahrvollen Zeiten Zuflucht in der Kir­che zu finden. Im Internet findet man nicht viel, wenn man über Derartiges recherchieren will. Also doch nur eine Rönsahler Eigenart oder so absurd, dass man dieses Thema totschweigt? Aber warum soll da nichts dran sein? Sollte es sie tatsächlich nicht gegeben haben, diese sagenumwobenen unterir­dischen Gänge, die bis in die Kirche führten?
Recherchieren wir doch mal:
Unterirdische Gänge zur Kirche soll es gegeben haben von dem östlich der Kirche gelegenen Fachwerkhaus, Keck­lenburg genannt, sowie von dem Dop­pelhaus Schäfer direkt vor der Kirche , von dem alten Vormanns Haus, wel­ches dort gestanden hat, wo jetzt das Lebensmittelgeschäft Crone steht und von dem Haus  Vor dem Isern 1.
Zum besseren Verständnis muss man wissen, dass der Platz um die Kirche früher Friedhof war. Bis zum Jahr 1822, als der jetzige Friedhof einge­weiht wurde, hat man die Verstorbe­nen dort auf dem Kirchhof beerdigt. Wie oft noch heute in alten Kirchorten war auch unsere Kirche von einer Mau­er umgeben. Sie diente dazu, eine masssive Einhegung des heiligen Berei­ches zu bilden, denn wie die Kirche selbst, so war auch der Kirchhof ein ge­weihter Ort. Zudem diente die Kirch­mauer auch als Schutz vor den im Dorf frei rumlaufenden
Schweinen. Das waren keine Wildschweine, sondern die im Dorf gehaltenen Hausschweine. In Winkel, einem kleinen Ort bei Mari­enheide, existiert noch heute ein Abschnitt einer sogenannten „Schweinemauer“. Er umhegte das Dorf, um Hausschweine vorm Weglau­fen und Wildschweine vor dem Ein­dringen zu hindern. Diese Funktion hatte auch die Friedhofsmauer zu er­füllen. Der oder die Eingänge wurden mit Toren verschlossen und es gab möglicherweise eiserne Roste, die vor die Eingänge gelegt wurden. Diese von Menschen durchaus begehbaren Roste verhinderten das Eindringen von Schweinen und anderen Tieren, die nicht über solche Roste gingen. Mögli­cherweise gab es solch ein Rost auch vor dem Eingang der Rönsahler Kirch­hofes. Eine Deutungsversion über der Namen des Hauses „Vor dem Isern“ besagt, dass der Name von dem Eise­ren Tor und/oder Rost herführt. Der verstorbene Heimatforscher Josef Moddemann fand in einem Kirchenab­rechnungsbuch einen Eintrag aus dem Jahr 1698 von einem Ausgabeposten über 5 Reichstalern und 30 Stüber für die Anschaffung „einer neuen Roster“, angefertigt in der Schmiede zur Leyen. Bei dem hohen Betrag muss es sich um ein großes, zur Absperrung geeignetes  „Roster“ gehandelt haben. Unklar ist dabei allerdings, ob des sich um das Kirchhoftor oder dem Eingang zum Kirchturm handelt. Vor dem Eingang am Turm, der ja ein mittelalterlicher Wehrturm mit Schutzfunktion in krie­gerischen Zeiten ist, soll sich ein eiser­nes Falltor befunden haben.

Die die Kirche umfas­sende Kirchhofs­mauer wurde nach Aufzeichnungen in den Kirchenrech­nungsbüchern in den Jahren 1630 und 1676 erneuert bzw. neu aufgebaut. Auf Grund von anderen Überlieferungen bestand der mögli­cherweise zeitweise einzige Eingang zum Kirchhof in einem Durchgang in dem Haus Schäfer (jetzt Rothardt-Lüsebrink), welches direkt südlich der Kirche steht. In den hei­matkundlichen Aufzeichnung von dem Lehrer Baukha­ge aus dem Jahr wird über das Haus berichtet, dass es  bei dem Dorfbrand im Jahr 1766 zerstört wurde und mit ihm auch der Durch­gang. Dieser war vermutlich auch nicht unterirdisch , sondern ging quer durchs Haus  und konnte mit Toren verschlossen werden. In dem Haus soll auch die Totenbahre aufbewahrt wor­den sein. Forscht man weiter, findet man aber durchaus Hinweise, dass es doch auch einen un­terirdischen Gang, ausgehend vom Ge­wölbekeller in der rechten Häfte des Hauses, gegeben hat, der bis in die Kir­che geführt haben könnte. Vor mehre­ren Jahren wurde bei Renovierungsar­beiten der Anfang eines ausgemauerter Gang, der im wei­teren Verlauf verbro­chen war, zuge­mauert. Die Stelle im Keller lässt sich noch ausmachen. Der Gang soll unter dem Haller Platz her in die Kirche ge­führt haben. Es wurde vor Jahren ein in alter Handschrift verfass­tes Schrei­ben gefunden, in dem dieser Gang und ein weiterer Gang aus dem Haus Vor dem Isern 1 erwähnt wurde. Leider ist das Schreiben verschollen.  

Auch von dem im Osten der Kirche ge­legenen Haus Kirchstr. 8, welches Kecklenburg genannt wird, soll laut ei­nem Gerücht ein unterirdischer Gang zur Kirche führen. Im Keller des Hau­ses befindet sich ein ausgemauerter, 8 bis 9 Meter tiefer Brunnen. Ob vom Brunnenschacht oder anderer Stelle ein Gang abging, ließ sich bisher nicht feststellen.

Geheimnisvoll bleibt auch die Behaup­tung, dass es von dem alten Vormanns Haus, in dem vor Jahrzehnten die Gaststätte Vormann war und das spä­ter dem Neubau für den Laden von Pitt Crone weichen musste, einst ein Gang bis zur Kirche abging. Laut einem Au­genzeugenbericht gab es in dem Keller des Hauses eine Eisentüre oder -klap­pe, dahinter befand sich der unterirdi­sche Gang, durch den man in gebück­ter Haltung bis unter die Kirche gelan­gen konnte. Das alte Vormanns Haus war eines der ältesten Häuser Rönsahls, welches sich bis ins 15. Jahr­hundert als das sogenannte Kellergut zurückverfolgen lässt.


Andere Erzählungen berichten von dem alten Dorfbrunnen nahe der Kirchtreppe am Marktplatz, dass von ihm ein waagerechter Gang oder Stol­len abging, wenn man in den Brunnen hinabstieg. Möglicherweise handelt es sich dabei lediglich um eine Verbin­dung zum Brunnen, welcher sich im Keller des  benachbarten Hauses Vor dem Isern 1 befindet. Abwegig wäre der Gedanke, dass es eine Verbindung vom Dorfbrunnen zur Kirche geben könnte, durchaus nicht, denn Vergleichbares gab es in Nachrodt-Wiblingwerde, wo tatsächlich ein Gang zwischen Brunnen und der Evangelischen Kirche entdeckt wurde. Dieser Gang diente in Belage­rungszeiten zur Beschaffung von Was­ser für die in den Kirchturm ge­flüchtete Dorfbevölkerung.
In Rönsahl aber soll es einen Brunnen direkt unterm Kirchturm gegeben ha­ben.  Dieses Kellergeschoss des Turmes gibt es heute nicht mehr. Es wird ver­füllt oder abgedeckt worden sein. Der Kirchturm muss ja schon lange nicht mehr seine ursprüngliche Funktion als Wehrturm und Zufluchtort in kriegeri­schen Zeiten erfüllen. Forscht man in Rönsahls Geschichte, so wird von meh­reren Überfällen und Belagerungen be­richtet.
Wieviel Angst und Not werden Rönsahls Bürger erlitten haben, als im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) wieder eine Horde „Kriegsvolk“ ins Dorf einfielen.  Konnten sich die Rönsahler unbemerkt in den Kirch­turm retten, nachdem sie vom Keller ihres Wohn­hauses durch den stollen­ähnlichen Gang gelaufen oder gekro­chen waren? Ganz sicher möglich war das  vom Keller des schönen, herr­schaftlichen Hauses Vor dem Isern 1, welches westlich der Kirche steht und vor eini­gen Jahren vor dem Verfall ge­rettet und aufwendig restauriert wur­de. Dort im Gewölbekeller befindet sich eine zu­gemauerte Stelle, hinter der der noch vor der Restaurierung offene Gang in Rich­tung der Kirche anfing. So wie der ehe­malige Ortsbürgermeister, Architekt und Bauunternehmer Horst Becker berichtet, hatte er selbst noch diesen Gang betreten. Allerdings war nach we­nigen Metern kein Durchkom­men mehr, weil unter der Straße Vor dem Isern der Gang verbrochen war. Dieser Gang führte geradewegs zum Kirch­turm, wo er dann in dem erwähnten, aber heute nicht mehr existierendem Kellergeschoss im Turm geendet haben könnte.

Vielleicht lassen sich irgendwann ein­mal weitere Rätsel um die geheimnis­vollen Gänge in Rönsahls Unterwelt lö­sen. Möglicherweise können Sie / kannst Du, lieber Leser, Hinweise dazu geben. Ich freue mich über jede Infor­mation.

Regina Marcus, im August 2015


Quellen:
Buchholz-Chronik
Kirchenbücher
Informationen von Horst Becker, Ma­rio Reichert, Ellen Becker, Kristoffer Mettinger und weiteren

Heimatkunde von Rönsahl“, gesam­melt von Lehrer Walter Baukhage um 1960
Zurück zum Seiteninhalt